2022. Wir alle hoffen, dass dieses Jahr Festivals wieder möglich sein werden. So auch das Heimatsound-Festival in Oberammergau, bei dem dann eine Band auf jeden Fall auch mit am Start sein wird: die Widersacher aller Liedermacher, die sich ihren Gigplatz erfolgreich über den Heimatsound-Wettbewerb 2021 sichern konnten.
„Fünf Typen, zu viele Instrumente und ehrliche Geschichten im bayrischen Slang.“
Genau dieser Cocktail schmeckte offensichtlich sowohl den Onlinevotern als auch der final entscheidenden Jury vorzüglich, als es im Sommer darum ging, den Gewinner des diesjährigen Heimatsound-Wettbewerbs zu bestimmen. Die Jungs von Widersacher aller Liedermacher kassierten den Sieg für sich ein – und damit einhergehend auch einen ordentlichen Pott voll Ruhm, einen Einkaufsgutschein über 2.000 Euro fürs fröhliche Equipmentshopping bei uns im Musikhaus Kirstein und natürlich die bombige Möglichkeit, beim nächsten Heimatsound-Festival (geplant für 2022) in Oberammergau live mitzumischen.
Die Widersacher: aufregend unangepasst
Wir freuen uns total mit den Widersachern (da haben wir’s wieder, das bekannte Phänomen: Mag man eine Band, drückt sich die Sympathie ihr und ihren Inhalten gegenüber ja oft dadurch aus, dass man ganz selbstverständlich dazu übergeht, ihren Bandnamen im persönlichen Sprachgebrauch für sich abzukürzen … 😉 ), dass sie mit ihrem Song „Anamirl“ den Sieg des Heimatsound-Wettbewerbs gekapert haben und kategorisieren diese Band für uns als aufregend unangepasst ein.
Und da wir der Meinung sind, dass auch Ihr die Chance bekommen solltet, eine neue Band kennenzulernen, die sich den Attributen glattgebügelter Einheitsbrei-Einerleis auf erfreulich unorthodoxe Art und Weise entzieht, kommt hier unser Interview mit den Widersachern bzw. dessen Häuptling Matze. Here we go!
Das Interview oder: „Man sollte bei Bewusstsein sein, wenn man unsere Musik hört.“
Im Herzen seid Ihr Lumpensammler, Lebenskünstler, Zirkusakrobaten, Viehtreiber und Aristokraten. Sollte einem das bewusst sein, wenn man Eure Musik hört?
Matze: „Man sollte zumindest bei Bewusstsein sein, wenn man unsere Musik hört. Alles andere ist optional.“
Wirkt Eure Musik bewusstseinserweiternd?
Matze: „Ich denke schon, dass sie das tut. Wir sind in mancherlei Hinsicht ziemlich psychedelisch drauf und driften mit verschiedensten musikalischen Anleihen durch die Gegend. Das zieht einen manchmal richtig in diese Sphären der Selbstvergessenheit, wie man sie zum Beispiel bei Pink Floyd oder den Beatles findet.“
Beim Stichwort Selbstvergessenheit fällt mir direkt Euer Lied „Hans“ ein, das es ja grundsätzlich schon länger gibt, aber das Ihr erst vor Kurzem als offizielles Video mit grandios stimmiger Filmanimation auf YouTube veröffentlicht habt. Hast Du Lust, was darüber zu erzählen?
Matze: „Unser Lied Hans ist sowas wie eine Variation des alten Volkslieds „Hans bleib dou“. Da ist dieser Typ, der rausgeht in die Welt und alle anderen machen sich Sorgen ums Wetter, um Sturm und all die Sachen, die einem da draußen in der Welt passieren können. Ich habe das Lied damals geschrieben, als ich eine mehrtägige Wanderung, ganz allein, durch die Wälder an der deutsch-tschechischen Grenze unternahm. Als ich da auf meiner Ukulele herumjammte und vor mich hinsang, war ich ganz überrascht, den Sinn von diesem alten Lied zu erkennen. – Und: Das Leben als Wanderung, als stetigen Fluss der Entwicklung zu begreifen, bei dem man auch die Konfrontation nicht scheuen darf, um daran zu wachsen. Die Lea, meine ehemalige Mitbewohnerin, hat das Suchen und Zweifeln – diese Evolution – in einer sehr liebevollen, erdigen Animation umgesetzt.“
Du sagst, dass man Konfrontationen nicht scheuen solle. Habt Ihr Euch auch als Band schon Konfrontationen ausgesetzt gesehen, an denen Ihr aber letztendlich wachsen konntet?
Matze: „Naja, natürlich gibt‘s immer mal wieder Reibereien bei der Frage, wohin die musikalische Reise bei einem bestimmten Song gehen soll. Da wächst man aber ständig dran und das ganze Streiten gehört auch zum kreativen Prozess, so wie wir ihn als Band betreiben wollen, dazu. Im Großen und Ganzen versuchen wir allerdings, vornehmlich Harmonie walten zu lassen und an der Liebe zu wachsen.“
Neulich wart Ihr in einer Folge von Matthias „Matuschke“ Matuschiks Podcast „Fasten your Lederhosn“ dabei. (Übrigens ein sehr geiler Beitrag!) Da hast Du bei Matuschkes Frage nach Eurem musikalischen Stil – vielleicht auch etwas augenzwinkernd – das Drei-Gänge-Genre-Menü „Contemporary Folk-Punk-Fusion“ aus der Hosentasche gezaubert. Wann lugt bei Euch der Punk um die Ecke? Was an Euch ist Punk?
Matze: „Unser Punk zeigt sich in der Attitüde, mit der wir unsere Auftritte bestreiten. Da gibt es immer wieder mal Momente, die dem allgemeinen Geschmack widersprechen und absichtlich Verwirrung erzeugen. Momente, in denen das Publikum den Mittelfinger entgegengestreckt bekommt. Damit kann man die Bandbreite von Erlebnissen einfach ausreizen und die sanften, wohligen und versöhnenden Töne erscheinen dann für den, der sich drauf einlässt, noch intensiver.“
Gibt es irgendeinen speziellen Ort, an dem Ihr ums Verrecken gerne mal spielen würdet?
Matze: „Tatsächlich war ein Gig am Heimatsoundfestival schon immer unser großes Ziel. Danach kommt das Wiener Burgtheater, die Elbphilharmonie und zu guter Letzt natürlich WACKEN.“
Absolut geiler Gig: drei Dinge, die dafür unabdingbar sind und drei Dinge, die dafür überhaupt keine Rolle spielen?
Matze: „Schwierig, hierzu Aussagen zu treffen … Ich denke, das Wichtigste für einen geilen Gig ist, dass man in irgendeiner Art und Weise überrascht wird – sei es von den Mitmusikern oder von der Reaktion des Publikums. Wenn dann dadurch was entsteht, dann ist der Gig geil gewesen (oder auch nicht).
Vielleicht aber: 1. Man hat das Publikum an den Eiern. 2. Wir verstehen uns als Musiker blind. 3. Unsere Show endet in einer tranceartigen Technoimpro. – Was keine Bedeutung hat: alles andere.“
Warum habt Ihr Euch nicht „Liedermacher aller Widersacher“ genannt?
Matze: „Wäre etwas versöhnlicher mit der Musikszene gewesen … Noch nie drüber nachgedacht, aber jetzt ha‘m wir den Dreck im Schachterl. – Ein sich einmal gegebener Name klebt an einem wie eine ranzige Schmierkuchenmasse. Aber im Endeffekt sind Namen ja Schall und Rauch.“
Für den 2.000-Euro-Gutschein, den Ihr für unseren Shop gewonnen habt, habt Ihr Euch ein V-Array-System, ein Mischpult und noch irgendwelche Kleinigkeiten ausgesucht. Wahrscheinlich für Euren Proberaum? Proberäume sind was Faszinierendes, oder? Welche Magie strahlt Eurer aus?
Matze: „Tatsächlich ist unser Proberaum derzeit mein Wohnzimmer, weswegen der ansonsten sehr beliebte, abgefuckte Einrichtungsstil derartiger Probelokalitäten hier aus verständlichen Gründen etwas zu kurz kommt. Bei uns ist es eigentlich recht gemütlich und nerdig, zwischen Tausenden Noten, sonderbaren Instrumenten und Lucky-Luke-Heften.“
Großstadtclub oder Dorfdisco? Lederhosen oder Jeans? Fasching oder Weihnachten? Docs oder Flip-Flops? Linsensuppe oder Bier? Schwarzes Schaf oder Goldhamster?
Matze: „Stroboskoprausch im undergroundigen Szeneclub und Maibaumaufstellen in Großklenau. Das ist wie Yin und Yang – zwei Pole, zwischen denen ein taumelndes, atemloses Herz pendelt, um in der Summe der Gegensätze Frieden zu finden. – Ansonsten: Jogginghose und Schottenrock und auf jeden Fall Weihnachten in Flip Flops mit Goldhamsterbierschmorbraten.“