Interview mit Tenorhornist Michael Müller: »Mir geht es darum, die Leute weiterzubringen.«

Michael Müller ist einer der gefragtesten Pädagogen im Bereich Tenorhorn und Euphonium. Seit mehr als zehn Jahren ist Michael Mitglied bei „Ernst Hutter & die Egerländer Musikanten – Das Original“ sowie der „Kleinen Egerländer Besetzung“. Als Workshop-Dozent ist er regelmäßig in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterwegs.

Vergangene Woche war Michael bei uns zu Gast und nahm sich trotz seines vollen Terminkalenders – tagsüber standen maßgeschneiderte Einzelcoachings, abends eine exklusive Registerprobe an – Zeit für ein Interview mit unserem Kollegen Christian Mayr. Wir bedanken uns recht herzlich bei Michael und wünschen Euch viel Spaß beim Lesen!

Gruppenbild der Musikkapelle Ingenried (Register Tenorhorn, Bariton, Tuba, Posaune) mit Michael Müller.
Abends durfte sich die Musikkapelle Ingenried über ein exklusives Registercoaching mit Michael Müller freuen.

Michael, Du kommst gerade vom Gipfeltreffen, einer gemeinsamen Tour der „Egerländer Musikanten – Das Original“ und Saso Avseniks Oberkrainern, die Konzerte mit der „Kleinen Egerländer Besetzung“ stehen unmittelbar bevor, ebenso die Saison mit „Alpenblech“. Außerdem gibst Du regelmäßig Workshops. Ein straffes Programm, oder …?

Michael: Das kann man so sagen, ja. Es kommen schon einige Stunden und Kilometer auf der Straße zusammen … und wenn ich dann heimkomme, wartet schon die Arbeit an unserer Bläserschule BrassTrail auf mich (lacht).

Fühlt man sich bei so viel Zeit im Auto manchmal eher wie ein Außendienstler als wie ein Musiker?

Michael: Nein, eigentlich nicht. Ich denke mir nie „Oh, jetzt muss ich fünf Stunden irgendwo hinfahren.“ Das gehört zum Beruf und ich mache das gerne. Es ist für mich total spannend, wenn ich rumkomme und zum Beispiel bei den Workshops immer neue Leute kennenlerne.

Bei jedem Workshop wartet eine neue Überraschung …

Michael: Richtig – ich weiß ja nie, wer ins Einzelcoaching kommt. Da heißt es erst einmal: abtasten und vorfühlen – auf welchem Level bewegen wir uns? Wie tickt der Teilnehmer, wie „packe“ ich ihn an …?

Was wird denn in Deinen Workshops und Coachings behandelt? Geht es „nur“ um die Musik, also Stilistik und Übungen? Oder wird es auch mal technisch, in Bezug auf Instrument, Mundstück etc.?

Michael: Die meisten sind instrumententechnisch mittlerweile sehr gut ausgestattet. Da hat sich in den vergangenen Jahren schon einiges getan! Manche kommen zum Beispiel mit einem neuen Tenorhorn, kommen aber mit dem Mundstück nicht zurecht oder es geht um technische Details zum Instrument. Aber meistens geht es schon um Themen wie Atmung, Höhe, Ausdauer oder Anstoß. Es geht um Struktur und Effektivität beim Üben und natürlich auch oft um Egerländer Stilistik.

Wichtig ist mir dabei immer: Ich fahre nicht raus, um den Leuten etwas zu verkaufen – sei es beim Instrument, beim Mundstück oder bei BrassTrail. Wenn einem Musiker Übungen aus unserem Heft helfen, ist das super. Aber ich sage sicher nicht: „Kauf oder spiel das, sonst wird das nix.“ Mir geht es darum, die Leute weiterzubringen. Und wenn ein bestimmtes Mundstück oder bestimmte Übungen dabei helfen, freue ich mich darüber.

Du spielst seit Jahren ein Melton Tenorhorn MAT24 aus der MeisterArt-Serie und ein Besson Euphonium Prestige BE2052. Hast Du an Deinen Instrumenten etwas Besonderes „machen lassen“?

Michael: Bei beiden Instrumenten habe ich den Winkel des Mundrohrs etwas höher setzen lassen. Die Haltung des Instruments ist bei jedem Musiker etwas anders. Ich spiele zum Beispiel eher etwas nach unten, deshalb lag das Mundrohr ein bisschen zu tief für mich.

Ansonsten ist es ein Instrument von der Stange. Ich kann ja nicht Werbung dafür machen und behaupten, dass ich genau dieses Instrument spiele, wenn ich selber eine Sonderanfertigung bekommen hätte. Da würde ich mich unglaubwürdig machen.

Schaust Du Dich auf dem Instrumentenmarkt dennoch um und spielst mal ein Instrument an, das Dich interessiert?

Michael: Ich probiere ehrlich gesagt gar nichts anderes aus (lacht). Das habe ich aus dem Studium so für mich mitgenommen: Du hast Dein Instrument – und dann übst Du, bis es geht! Es dauert ja auch Monate, bis Du Dich auf einem anderen Instrument gefunden hast und alle Nuancen kennst. Instrumente ausprobieren oder wechseln würde mich, glaube ich, verrückt machen.

Du spielst seit einiger Zeit Deine eigenen Mundstücke von Josef Klier. Was haben Deine Mundstücke, das die vielen anderen erhältlichen Mundstücke nicht haben?

Michael: Das war ein sehr spannender und interessanter Prozess mit der Firma Klier, weil ich seit 10 Jahren das Exclusive 9D von Klier gespielt habe und ich mich deshalb nie großartig mit dem Thema beschäftigt habe. Dann war ich irgendwann zu Gast im Hause Klier und habe alles Mögliche getestet. Ich bin aber beim Ausprobieren immer wieder bei meinem 9D gelandet.

Das Grundmodell meines Signature-Mundstücks ist auch das 9D – grundsätzlich ein etwas kleineres Modell, was für die Ausdauer zuträglich ist. Allerdings hat mein Signature-Modell etwas mehr Masse, ist also dicker und schwerer. Dadurch wird der Ton in der Tiefe voller und spricht allgemein besser an. Schlussendlich haben wir eineinhalb Jahre lang getestet und getüftelt und ich habe wirklich viel dabei gelernt. Ein schöner Nebeneffekt: Jetzt kann ich auch bei Einzelcoachings gute Hilfestellung beim Thema Mundstücke geben.

Eine neue BrassTrail-Notenausgabe braucht dagegen aber nicht so lange, oder?

Michael: (zögert, überlegt und lacht) Doch. Und es ist viel mehr Arbeit, als wir geahnt haben. BrassTrail ist ja quasi das Corona-Projekt meiner Frau Maria und mir. Wir machen hier alles selber, vom Notensatz bis zum Versand. Für einen alleine wäre das nicht machbar gewesen. Aber gemeinsam haben wir unsere Ideen darin verwirklicht und entwickeln BrassTrail in unserem Tempo weiter. Das ist ein schönes und auch beruhigendes Gefühl, sein eigener Chef zu sein.

Und mittlerweile wächst das Repertoire ja von Duett- über Ensemble- bis Blasorchesterliteratur …

Michael: Ja, das hat sich Schritt für Schritt ergeben, war aber alles so nicht geplant. Beispielsweise auch nicht, dass Maria komponiert – sie hat spontan begonnen, Etüden zu schreiben, weil wir neben Übungen eben auch Musik in der Schule haben wollten. Als die Schule fertig war, haben wir sie an bekannte Euphoniumspieler und -lehrer in der ganzen Welt verschickt – und die Rückmeldungen auf Marias Stücke waren durchweg positiv. Da hat sie gesagt: „Hätte ich gewusst, wer meine Stücke zu sehen bekommt und sie spielt, hätte ich mich wahrscheinlich nie getraut zu komponieren.“

Ihr seid beide Musiker, Ihr seid verheiratet – so manches Paar könnte vermutlich nicht so eng zusammenarbeiten wie Ihr. Führt Ihr denn viele Diskussionen über BrassTrail?

Michael: Am Anfang, also während Corona, natürlich schon. Wir waren daheim, wie alle anderen auch. Wir hatten praktisch nur dieses Projekt vor uns und wir haben alles zusammen entwickelt. Da wir die Aufgaben getrennt haben – jeder hat seine Arbeitsbereiche –, läuft die Zusammenarbeit immer sehr harmonisch.

Abschließend noch zwei Fragen aus dem Kollegenkreis.

Mit welchem Rezept machst Du Dich zum Beispiel nach dem Urlaub wieder fit am Instrument?

Michael: Im Studium hat mir Peter Seitz irgendwann gratuliert: „Herzlichen Glückwunsch, jetzt bist Du mit Deinem Instrument verheiratet.“ Den Spruch werde ich nie vergessen. Denn als Student meint man ja, man muss jeden Tag nur noch üben, üben, üben, sonst geht das alles nicht. Das war auch bei mir so. Irgendwann habe ich aber gemerkt: Das kann es ja auch nicht sein – nie Freizeit, kein Urlaub … Also habe ich es drauf ankommen lassen: Zwei Wochen Karibik-Urlaub ohne Instrument und Mundstück – und fünf Tage später stand ein Egerländer-Konzert an. Es ist alles gutgegangen, weil ich nach dem Urlaub nicht gleich wieder voll eingestiegen bin, sondern Tag für Tag meine Übezeit gesteigert habe. Ich glaube, damit kommt jeder Musiker in seinem Rahmen wieder relativ schnell auf sein Level.

Wofür hättest Du im Bereich Musik gerne mehr Zeit?

Michael: Ich hätte tatsächlich gerne mehr Zeit zum Üben, weil ich selber das Gefühl habe, dass ich noch nicht am Limit bin. Es gibt so viele spannende Bereiche, in denen ich mich noch nicht gut auskenne, das mich aber interessieren würde – Jazz zum Beispiel. Grundsätzlich möchte ich als Bläser weiterkommen. Das ist ja das Schöne an der Musik: Es hört nie auf und man lernt nie aus.

Lieber Michi, vielen Dank für Deine Zeit und das informative und angenehme Gespräch – und alles Gute für Deine bevorstehenden Konzerte, Workshops und Projekte.

Bildnachweis Beitragsbild:
Foto Michael Müller: Tobias Epp Fotografie

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Von Jutta Kuehl

Jutta Kühl, PR und Texterin bei Musikhaus Kirstein GmbH.