Musik zu Hause aufzunehmen und dann einem großen, hungrigen Publikum übers Netz in die Ohren zu spülen, ist gar nicht so schwierig, wie Du vielleicht denkst. Ein bisschen Equipment hier, ein bisschen Basiswissen und kreative Ideen da … und schwuppdiwupp hast Du als jemand, von dem vorher noch nie einer was gehört hat, plötzlich die wunderbare Möglichkeit, in den endlosen Weiten des WWW eimerweise Ruhm und Anerkennung einzuheimsen. – Oder aber zumindest dafür zu sorgen, dass Deine musikalische Botschaft nicht nur innerhalb Deiner eigenen vier Wände widerhallt. Und Spaß macht’s sowieso! Wir haben unseren Kollegen Ruben ein bisschen zum Thema gelöchert:
Ich sitze zu Hause und habe einen tollen Song komponiert, den ich gerne bei YouTube veröffentlichen möchte. Was muss ich tun?
Also – zuerst brauchst Du natürlich mal einen YouTube-Account. Und dann hast Du verschiedene Möglichkeiten. Die einfachste: Du schnappst Dir Deine Gitarre, drückst Deiner kleinen Schwester ein Bestechungsbonbon und Dein Smartphone in die Hand, lässt Dich filmen – und ab damit ins Netz! Wenn Du das Ganze allerdings etwas professioneller angehen willst, gibt’s heutzutage auch ganz patente Möglichkeiten, mit denen Du Dich zu Hause so ausstatten kannst, dass Du wirklich passable Ergebnisse erzielst, ohne den Gang ins Tonstudio machen zu müssen.
Wenn Du’s etwas professioneller angehen willst, gibt’s heute auch für zu Hause ganz patente Möglichkeiten.
Welche Ausrüstung bräuchte ich da denn für einen guten Sound? Bekomme ich das als Laie überhaupt hin?
Naja, ein bisschen technisches Verständnis sollte man für den Umgang mit der Aufnahmetechnik schon mitbringen. Ganz selbsterklärend ist das alles leider nicht. Aber versuchen wir’s doch einfach mal … Grundsätzlich brauchst Du erstmal einen Computer mit Aufnahmesoftware, ein Audio-Interface und Mikrofonierung. Alternativ kannst Du auch mit einem computerunabhängigen Recorder arbeiten. Zusätzlich wären dann noch Nahfeldmonitore für die Bearbeitung empfehlenswert. Und natürlich stellt sich hier auch erstmal die Frage: Was will ich überhaupt aufnehmen? Wie möchte ich arbeiten? Und in welchem Umfang? Davon hängt die benötigte Ausrüstung natürlich auch sehr stark ab. Eine mehrköpfige Band braucht natürlich was ganz anderes als meinetwegen ein Sänger am Klavier …
Eine mehrköpfige Band braucht was anderes als ein Sänger am Klavier.
Dann bleiben wir doch mal beim Eingangsbeispiel: Gitarre mit Gesang. Welche Audio-Software und welches Interface würdest Du jemandem empfehlen, der noch keine Erfahrung hat?
Für die Kombi „Gitarre und Gesang“ empfehle ich ein 2-Kanal-Interface. Damit ist es dann möglich, ein Mikrofon und einen eventuell an der Gitarre vorhandenen Tonabnehmer zeitgleich aufzunehmen. Prinzipiell brauchst Du pro Signal einen Kanal im Interface, wenn Du mehrere Dinge gleichzeitig aufnehmen möchtest. Bei vielen Audio-Interfaces ist dann übrigens auch gleich schon eine entsprechende Aufnahmesoftware mit dabei.
Hast Du eine konkrete Empfehlung für ein 2-Kanal-Interface?
Sehr beliebte und hochwertige Produkte sind da zum Beispiel die Geräte von Focusrite, Motu oder SSL.
Und wenn man jetzt nur ein 1-Kanal-Interface hätte, würde man Gitarre und Gesang nacheinander aufnehmen?
Genau, entweder nacheinander oder gleichzeitig mit nur einem Mikrofon. Beim gleichzeitigen Aufnehmen hast Du aber natürlich den Nachteil, dass Du im Nachhinein die einzelnen Lautstärken oder Klangeinstellungen der Einzelinstrumente (bzw. der Gitarre und des Gesangs) nicht mehr anpassen kannst. Nacheinander ist immer die bessere Variante für eine anschließende Bearbeitung, auch, weil es damit kein Übersprechen in andere Mikrofone gibt. Dennoch benötigt man spätestens bei sogenannten Stereoquellen, also zum Beispiel einem Keyboard, auch bei Einzelspuraufnahmen einen zweiten Kanal.
Nacheinander aufzunehmen, ist immer die bessere Variante für eine anschließende Bearbeitung.
Mit so einem Interface und der Aufnahmesoftware umzugehen, kann man das für sich selber im Learning-by-doing-Verfahren umsetzen? Liegen da bei den Geräten beispielsweise Anleitungen bei?
Es liegen normalerweise Anleitungen dabei, die Dir Erklärungen zur Verbindung mit dem Computer und der Treiberinstallation liefern. Was aber die Aufnahmesoftware betrifft, ist man ehrlich gesagt schon auf sich selbst gestellt. Allerdings gibt es da für jede Software wirklich jede Menge Video-Tutorials und Online-Workshops seitens der Hersteller, die Dich Schritt für Schritt an das Thema heranführen. Damit kommt man eigentlich ganz gut zurecht und kann selbst noch als fortgeschrittener Anwender immer noch dies und das dazulernen.
Kommen wir zum Thema Mikrofonierung. Was für ein Mikrofon sollte man für eine Gitarrenaufnahme nehmen, was für eins für den Gesang?
In diesem Fall wäre ein Großmembran-Kondensatormikrofon die richtige Wahl. Das kannst Du sowohl für den Gesang als auch für die Gitarre verwenden. Wenn Deine Gitarre einen integrierten Tonabnehmer hat, kannst Du die Aufnahme der Gitarre auch ohne Mikrofon mit einer DI-Box direkt vom Tonabnehmer abgreifen. Ansonsten nimmst Du mit Deinem Mikrofon erst Deinen Gesang auf und danach die Gitarre, oder umgekehrt, das ist natürlich egal. Die Betonung liegt halt auf „nacheinander aufnehmen“, da zum Beispiel zwei Großmembranmikrofone (eins für die Gitarre, eins für den Gesang) im gleichen Raum durch massives Übersprechen kein ordentliches Ergebnis erzeugen würden.
Ein Großmembran-Kondensatormikrofon kannst Du sowohl für den Gesang als auch für die Gitarre verwenden.
Gibt’s sonst noch irgendwelche wichtigen Tipps zur Mikrofonierung oder zum Aufnehmen?
Naja, man sollte Aufnahmen zu Hause möglichst in einem Raum machen, der nicht „hallt“, um wirklich das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Badfliesen sind da zum Beispiel nicht unbedingt förderlich. Ansonsten solltest Du natürlich auch schauen, dass Du Nebengeräusche möglichst vermeidest. Dein Wellensittich im Hintergrund 🐦🎶 bereichert Deine Aufnahme wahrscheinlich eher nicht oder nur in den seltensten Fällen … Und falls Du mit Overdubs oder Playbacks arbeitest, brauchst Du unbedingt noch einen Kopfhörer, damit diese später nicht auch in den Aufnahmen enthalten sind.
Ok, und nach den Aufnahmen kommt dann die Bearbeitung mit der Audiosoftware. Du hast am Anfang aber auch noch von der Möglichkeit gesprochen, mit einem computerunabhängigen Recorder zu arbeiten. Kannst Du dazu was erzählen?
Ja, also es gibt sogenannte Mehrspurrecorder, meist in Mischpultform, mit internem Speicher. Bei diesen Mehrspurrecordern kannst Du die Nachbearbeitung Deiner Aufnahmen direkt auf dem Gerät vornehmen – in etwas eingeschränktem Umfang natürlich. Du brauchst dann aber eben weder einen Computer noch ein Interface. Konzipiert sind diese Geräte allerdings eher für den mobilen Einsatz bzw. Live-Mitschnitte, bei denen oft viele Musiker gleichzeitig mit entsprechend vielen Kanälen aufgenommen werden müssen.
Bei solchen Mehrspurrecordern braucht man – wenn wir beim Homerecording-Beispiel Gitarre plus Gesang bleiben wollen – kein extra Mikrofon?
Doch, ums Mikrofon kommst Du nicht rum. Aber beim Recorder kannst Du das Mikro dann direkt anschließen, ohne dass Du Interface und Software benötigst.
Bei Mehrspurrecordern kannst Du die Bearbeitung Deiner Aufnahmen direkt auf dem Gerät vornehmen.
Und wie sieht es mit sogenannten mobilen Recordern aus?
Mobile Recorder sind Aufnahmegeräte für unterwegs. Diese akkubetriebenen Varianten haben ein integriertes Mikrofon. Mobile Recorder eignen sich vor allem für Locations, wo Du keine Stromquelle hast, also zum Beispiel bei Aufnahmen im Freien oder bei Film-Takes mit beweglicher, dynamischer Kameraführung.
Dann gehören die mobilen Recorder eher zu den Tools für Audioaufnahmen mit etwas weniger technischem bzw. Equipmentaufwand? Kann man das so sagen?
Ja, mit mobilen Recordern hast Du erstmal den geringsten technischen Aufwand, aber – zumindest was Modelle aus dem unteren Preissegment angeht – eben auch die am wenigsten flexible Lösung für die Nachbearbeitung. Dafür bist Du auf der anderen Seite natürlich völlig ortsunabhängig.
Welche Hilfsmittel gibt es noch, wenn man für eine Aufnahme nun doch sein Smartphone benutzen, aber trotzdem eine möglichst gute Qualität erzielen will?
Grundsätzlich gibt es auch für Smartphones externe Mikrofone, Audiointerfaces und entsprechende Apps. Allerdings bist Du hierbei ziemlich eingeschränkt, was die Schnittstellen und Geräteressourcen betrifft. Und Du musst extrem darauf achten, welche Geräte tatsächlich kompatibel sind, da bei diesen Dingen jeder Smartphonehersteller ganz gern sein eigenes Süppchen kocht.
Letztendlich sind in erster Linie fürs passende Equipment irgendwie immer die persönlichen Anforderungen ausschlaggebend. Und da die natürlich bei jedem anders sind, lässt sich vieles zum Thema Homerecording einfach auch ganz schwierig für die Allgemeinheit pauschalisieren. – Aber auch hier gilt: es gibt für jeden Topf den passenden Deckel … man muss ihn nur finden! Und dabei helfen wir natürlich jederzeit gerne! 😀
Weiterführende Infolinks
• Beratung zu Homerecordingequipment: Kontakt zur Abteilung „Live & Studio“ bei Kirstein.
• Equipment für Dein Wohnzimmerkonzert: unsere Empfehlungen
• Brauchen Livestreams eine Rundfunklizenz? Artikel auf BR-KLASSIK.
Glossar
Audio-Aufnahmesoftware
Mit Audio-Software können Audio-Signale, nachdem sie von analogen (Gesang, Instrumente) in digitale umgewandelt wurden, am Computer weiterbearbeitet werden.
Audio-Interface
Das Wort Interface heißt übersetzt Schnittstelle oder Verbindung. Ein Audio-Interface ist eine externe Soundkarte bzw. ein externes Gerät, das analoge Signale (Gesang, Instrumente) in digitale umwandelt und an den Computer weiterleitet, wo diese Signale mittels Aufnahmesoftware weiterbearbeitet werden können. Ein Audio-Interface ist also quasi die Verbindung zwischen bspw. Deinem Instrument und dem Computer. Die interne Soundkarte Deines Computers kann in aller Regel nicht als Ersatz für ein externes Audio-Interface dienen, da die computerinternen Varianten aufgrund ihrer geringeren Klangqualität und Geschwindigkeit normalerweise nicht zur Musikproduktion ausreichen. Audio-Interfaces haben verschiedene Ein- und Ausgänge/Anschlüsse und werden zum Beispiel über einen USB-Anschluss mit dem Computer verbunden. Schafft man sich ein Audio-Interface (Hardware) an, beinhaltet dieses Paket oft auch gleich eine entsprechende Audio-Software.
DI-Box
DI ist die Abkürzung für Direct Injection. Über eine DI-Box kann man eine Signalquelle mit einem unsymmetrischen Ausgang (Klinke; z. B. Gitarre mit eingebautem Tonabnehmer) mit einem Gerät mit symmetrischem Eingang (XLR; z. B. Audio-Interface) verbinden.
Großmembran-Kondensatormikrofon
Kondensatormikrofone nutzen als Membran eine elektrisch leitfähige, dünne Folie, die dicht vor einer (oft gelochten) Metallplatte elektrisch isoliert angebracht ist. Die Konstruktion ermöglicht eine besonders präzise Abbildung des Schalls. Als Großmembranmikrofone werden Mikrofone bezeichnet, deren Kapseln einen Membrandurchmesser von mindestens 22 mm aufweisen. Sie erzeugen einen besonders weichen, vollen Klang und haben normalerweise ein etwas größeres Gehäuse. Im Vergleich zu Kleinmembranmikrofonen haben Großmembranmikrofone außerdem ein geringeres Eigenrauschen und eine höhere Empfindlichkeit.
Mehrspurrecorder
Mit Mehrspurrecordern kann man mehrere Audioquellen gleichzeitig oder hintereinander aufnehmen. Sie haben mindestens zwei Spuren.
Mikrofonierung
Als Mikrofonierung wird die Auswahl geeigneter Mikrofone und deren Positionierung bezeichnet.
Nahfeldmonitor
Nahfeldmonitore sind oft relativ kompakte, meist aktive Lautsprecher, mit denen man sich das Ergebnis der Musikproduktion bzw. des Abmischens aus geringer Entfernung anhört und beurteilt. Nahfeldmonitore werden im Studio, aber auch beim Homerecording eingesetzt.
Overdub
Overdubs sind zwei übereinandergelegte Aufnahmen/Tonspuren. Das englische Verb „to dub“ heißt übersetzt „überspielen“. Zu einer ersten, schon bestehenden Tonaufnahme wird beim Overdubbing eine zweite Tonaufnahme hinzugemischt.
Streaming
Beim Streamen werden Video- und/oder Audiodaten über ein Rechnernetz bzw. das Internet übertragen, ohne dass der Nutzer/Hörer/Zuschauer eine Kopie dieser Dateien lokal auf sein Endgerät (Computer, Smartphone usw.) herunterladen muss. Die Daten werden also erst direkt in kleinen Datenpaketen ausgegeben (Zwischenspeicherung) und anschließend aber direkt auch wieder verworfen. Die entsprechenden Audio-/Videostücke werden damit nur in diesem Augenblick konsumiert und können (ohne Download) anschließend nicht weiter genutzt werden. Die älteste Form des Musikstreamings ist das Internetradio. Streamingdienste sind zum Beispiel Amazon, Spotify oder YouTube.
Übersprechen
Unter dem akustischen Übersprechen versteht man den Umstand, dass bei einer Aufnahme mit einem Mikrofon nicht nur die gewünschte Schallquelle aufgenommen wird, sondern auch andere Umgebungsschallquellen.
Quellen/Fotos:
audiointerface.de/ratgeber/was-ist-audio-interface/
de.wikipedia.org/wiki/DI-Box
de.wikipedia.org/wiki/Kondensatormikrofon
de.wikipedia.org/wiki/Mehrspurrekorder
de.wikipedia.org/wiki/Mikrofonierung
de.wikipedia.org/wiki/Musikstreaming
de.wikipedia.org/wiki/Overdub
de.wikipedia.org/wiki/Streaming_Media
delamar.de/audio-interface/
delamar.de/faq/kondensatormikrofon-34728/
delamar.de/homestudio-einrichten/aktive-lautsprecher/
magix.com/de/musik/audioaufnahme/
motu.com/de/products/m-series/m2/
pixabay.com/de/photos/home-studio-aufnahme-2363374/
soundandrecording.de/tutorials/das-richtige-audiointerface/
stern.de/kultur/musik/musik-streaming-dienste-im-vergleich-8965820.html